JAM asks... AYMZ
JAM asks... AYMZ. Diese musiokschaffende Persönlichkeit beeindruckt mit ihren sehr ergreifenden Texten, die vieles aus deren Biografie thematisiert und gleichzeitig auch verarbeitet. AYMZ' Verbindung zu den Fans ist eine ganz besondere. Sie folgen der Musiker:in zu Gigs im In- und Ausland und AYMZ dankt es ihnen mit gemeinsamer Zeit nach Gigs. Es werden Umarmungen ausgetauscht, man tauscht sich aus und supportet sich gegenseitig. Im Interview sprachen wir über AYMZ Tour, Fans, die Queer-Community und wieso auch diverse Prides hinterfragbar sind.
- Künstlername: AYMZ
- Früher bekannt als: Amy Wald
- Herkunft: Salzburg, Österreich
- Musikstil: Altenrative Rock
- Debüt-EP: "AYMZ", VÖ: (2023)
- Debütalbum: "Pyrolyse" (2022)
- Bekannte Songs: "Odyssee", "Callgirl", "Allerletzter Tag!", "Larries"
- Musikalische Einflüsse: Künstler wie YAENNIVER, "Kings of Leon"
Hi AYMZ, du bist aktuell viel am live spielen. Auch international. Welche Highlights kommen dir da sofort in den Sinn?
Ich hatte diesen Sommer meine erste Show außerhalb des DACH-Raums, in Luxemburg. Dabei habe ich nach langem mal wieder auf Englisch moderiert. Zu merken, wie sich dadurch die Struktur der ganzen Show ändert, reizt mich besonders. Das sind oft die Auftritte, von denen ich am meisten mitnehme, weil es dabei wieder darum geht, die Essenz der Songs und des Songwritings so zu erklären, dass sich Menschen, die den Text nicht verstehen, trotzdem emotional auf den Song einlassen können. Das hat in Dudelange so gut funktioniert, es wird uns wohl bald wieder nach Luxemburg ziehen.
Kurz danach spielten wir vor tausenden Menschen beim CSD am rappelvollen Marienplatz in München. Goldene Stunde, Einlassstopp, fühlte sich kurz wie fliegen an. Ist schon ein kitschiger Sommer haha.
Während der Tour kam es auf einmal zu der unglücklichen Situation, dass du deine Stimme auf einmal verloren hast. Wie blickst du auf diese Zeit zurück?
Mit viel Respekt. Es ist total beängstigend, an den Punkt zu kommen, an dem der Arzt verbietet, auch nur ein weiteres Wort zu sagen. Es fühlte sich so an, als hätte die Karriere bis zum Erhalt der Testergebnisse gezittert. Das ist ein ordentlicher Realitätscheck und zeigt mal wieder, wie schnell das alles vorbei sein könnte.
Generell hast du zu deinen Fans eine sehr besondere Beziehung. Was möchtest du dazu sagen?
Sie sind so cool! AYMZ war immer schon ein sehr Fan-fokussiertes Projekt und ich liebe alles daran! Da sind so viele Charaktere dabei, die ich mir während meiner Jugend- und Schulzeit an meiner Seite gewünscht hätte, aber in Salzburg nie hatte. Es ist wirklich sehr heilsam, jetzt einen Haufen von ihnen bei meinen Shows zu sehen, mit ihnen gemeinsam älter zu werden, zu wachsen und jeden Erfolg gemeinsam zu zelebrieren. Die sind so verdammt loyal, ich vertraue ihnen, sie mir, ist wie eine zweite Family. Ich hab denen so krass viel zu verdanken, die fahren uns bis nach Luxemburg hinterher! Sie sind einfach da bei jeder Show! Deswegen hängen wir nach jeder Show so lange gemeinsam ab, bis Securities die Venues räumen.
In deiner Musik ist viel Persönliches verarbeitet. Wie viel darf man als Musikschaffende*r von sich preisgeben?
Wie weit sich Artists für das musikalische Schaffen öffnen möchten, sollen alle für sich entscheiden. Ich persönlich bin ein großer Fan von Nahbarkeit und meiner Meinung nach schenkt emotionale Transparenz dem Songwriting ordentlich viel Nachvollziehbarkeit.
Aber ich kann auch gut verstehen, eine gewisse Distanz bewahren zu wollen. Es kann beängstigend sein, sich öffentlich emotional zu schälen. Ich denke, das ist eine Frage davon, was dem Projekt guttut und womit ich mich wohlfühle.
Was für eine gesellschaftliche Aufgabe hat Musik für dich?
Ich finde, Musik hat extrem viel Kraft, ja auch Macht, weil sie verbinden kann. Musik kann über sprachliche Barrieren hinaus Menschen zusammenführen und das ist in meinen Augen vor allem heutzutage sehr wertvoll, weil Sprache oft zu Missverständnissen und Ausgrenzungen führt. Aber mit jeder Machtposition kommt Verantwortung, die auch in der Musikbranche oft missbraucht wird. Ich boykottiere Artists, die mit gegebener Reichweite gegen mein Wertesystem handeln. Und ja, da trenne ich auch nicht die Musik von Artists.
Musik hat die Aufgabe, Gefühle zu transportieren und einen sicheren Raum dafür zu schaffen. In diesen Räumen darf keine Ausgrenzung passieren, Kunst muss für alle zugänglich sein und Menschen zusammenführen, die miteinander eine schöne Zeit haben wollen.
Hast du da besondere Erlebnisse, die dir da einfallen?
Auch jetzt komme ich auf die Show in Luxemburg zurück, da gab es eine süße Interaktion mit einem vierjährigen Mädchen. Sie hat weder mich noch meine Texte verstanden, ich kann leider kein Französisch, also haben wir uns mit Händen und Füßen verständigt. Sie war so glücklich nach meiner Show, ist nicht mehr von meiner Seite gewichen und hat mir im Endeffekt ihre ganze Familie vorgestellt, die das total entzückend fanden.
Schon vor Jahren haben mir Fans die Türen in das eigene Zuhause geöffnet und mich während meiner Straßenmusiktour im ganzen DACH-Raum aufgenommen. Das hat mir damals geholfen, mein Leben zu finanzieren.
Was für eine Bedeutung hat der Pride Month für dich?
Der Pride Monat ist für mich eine sehr zwiegespaltene Sache. Meine allerersten CSDs und Regenbogenparaden haben mir vor Jahren sehr viel Kraft geschenkt. Ich hatte in meinem Salzburger Umfeld wenige queere Meschen, bei Paraden dann so viele auf einem Haufen zu sehen, hat mir sehr viel Hoffnung und Zuversicht geschenkt. Aber inzwischen ist der Pride Monat, also der Juni, für viele Menschen der LGBTQIA+ Community ein enttäuschender und frustrierender Monat. Auch für meine Freunde und mich. Zu sehen, wie die Stonewall Riots von 1969 heutzutage von Großkonzernen und Firmen durch performative Solidarität zur eigenen Kapitalsteigerung missbraucht werden, ist einfach nur ekelhaft. Einmal im Jahr das Firmenlogo in Regenbogenfarben ändern, Regenbogen Merchartikel herausbringen und der Queer-Community so viel Geld wie möglich aus den Taschen ziehen, nur um am ersten Juli das Profilbild wieder zu ändern… großes Kino.
Was wünschst du dir von der Pride?
Keine heterosexuellen Partytouristen mehr auf Pride Trucks und, dass der Pride Monat als jährlicher Realitätscheck genutzt wird, wie die rechtliche und politische Lage im eigenen Land, sowie auch weit über die eigenen Ländergrenzen hinaus aussieht. Der Christopher Street Day (CSD) ist ein Gedenk- und Demonstrationstag, es sollte also klare Ziele geben, für die man auf die Straßen zieht.
Wenn wir uns in einem Jahr für ein weiteres Interview wieder treffen, worauf möchtest du dann zurückblicken können?
In diesem Jahr wird viel passieren. Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit meiner Mama, in dem es zum ersten Mal vorrangig um positive Neuigkeiten ging und nicht nur um die Sorge vor blauen Briefen im Postkasten oder Mietzahlungen. Mit jedem Jahr wünsche ich mir, dass diese Sorgen weniger werden. Ich fange an, die Früchte der eigenen Arbeit zu ernten und spüre endlich zunehmend Stabilität und Sicherheit, auf die ich aufbauen kann. Dieses Jahr wird gut!
Alle Bilder: (c) Jessie Way